Die wichtigsten Punkte des Artikels:
Zur Geschichte der deutschen Holcauspädagogik:
- Vergangenheitsbewältigung,
- Betroffenheitspädagogik,
- Erinnerungsarbeit,
- antifaschistische Erziehung.
Das Scheitern der bisherigen Konzepte ist am anhaltenden Antisemitismus (den ja die ja die deutschen Juden selbst beklagen) zu erkennen. Daher wird ein neues Konzept diskutiert, das folgenden Bestandteile aufweist::
- Empathie statt Betroffenheit,
- Emotionen in der Einfühlung,
- Lernen und Handeln im “Schutz der Rolle”,
- Produktive Auseinandersetzung mit Zeitzeugen, Spuren, Denkmälern usw.,
- Praktizierte Demokratie und Toleranz im Lernprozess.
Der Beitrag des Musikunterrichts zur Holocaustpädagogik:
Der inhaltlicher Focus der Holocaustpädagogik verschiebt sich weg von Zahlen und Fakten, weg von Statistiken und „Horrorfilmen“ und Denkmalsbesuchen hin zum „wirklichen Leben“ und den zunächst auch alltäglichen Gefühlen der Menschen. Statt „die Juden“ den deutschen Jugendlichen in der Schule in Extremsituationen vorzuführen und sie dadurch jeglicher Konkretheit zu berauben, sollten Juden zuerst einmal im normalen Leben als „Menschen wie Du und Ich“ erscheinen. Als Menschen mit lebensnahen Gefühen, mit Wünschen, Hoffnungen, Problemen, Sorgen und Fehlern. Hier liegt die Chance für Musik. Und hier ist die Chance für jene Klezmermusik, die die vielfältigen und widersprüchlichen Gefühlen des jüdischen Lebens klingend zum Ausdruck bringt.
Die beste Methode der pädagogischen Vermittlung von Klezmermusik, die auch in der interkulturellen Musikerziehung nachgefragt ist, ist die „szenische Interpretation“ von Musik. Hier finden Empathie, Rolleneinfühlung, ein Schutz der Rolle, die produktive Auseinandersetzung mit Inhalten und eine notwendig tolerante Arbeitshaltung statt. Die spezifischen Möglichkeiten eines derartigen Musikunterrichts sind
- Empathie erzeugen als Verständnis ohne oktroyierte Gefühle oder Betroffenheit,
- Musik als Teil einer widersprüchlichen Lebensrealität erfahren,
- Musik machen (als Erlebnis) und Musik reflektieren (zu Erfahrung) in einem einheitlichen, sinnlichen Prozess.
Bemerkung: diese "aktuelle Konzept" habe ich seit 2002 theoretisch und praktisch entwickelt. In Vorträgen (u.a. vor jüdischen Kollegen aus den USA und Israel) bin ich auf großen Widerstand gestoßen. Die Geschichte hat mir aber Recht gegeben. Denn heute (2023) wird in der deutschen Antisemitismus-Debatte zunehmend erkannt, dass das "jüdische Leben in Deutschland" Jugendlichen nahe gebracht werden soll. Mit anderen Worten: statt Ausschwitzbesuchen sollte eine deutsche Synagoge oder aber auch ein Konzert der jüdischen Community besucht werden!