Tiefenwirkung der Musik: Theorie der Musik-Archetypen

Midifile zur Zwölferglocke 
in 2 Timelines!

Text: "Zur psychoanalytischen Theorie der Weltmusik"

Blatt 7

Universalienstreit der Musikethnologie/Kulturanthropologie:

Bruno Nettl et al. "Excursions in World Music" (New Jerrsey 1992): "Universals of Music"

Music is a cultural universal in the sense that all societies, to our knowledge, have something that sounds to us like music. But the matter is more complicated. First, just because it sounds like music to us does not mean that it is music. Moreover, many societies do not have a concept of music as it has developed in Western culture...

If we are to defend the proposition that music is a cultural universal, we can perhaps do it by suggesting that all cultures have some kind of vocal production that they distinguish from ordinary speech. Much of this is clearly singing, but various kinds of ceremonial speech are included. It follows from this that singing is a cultural universal: All peoples sing. ... Nowhere do people "just" sing; they always sing something, and in this respect music contrasts with some other art from such as dance.

It seems that, in all cultures, music is used in some sense for transforming ordinary experience - producing anything from trance in a ritual to edification in a concert.


Ältere und meist spekulative Archetypentheorien

Johannes Kepler: die harmonikalen Verhältnisse sind dem Menschen als Urbilder einbeschrieben. "Eine geeignete Proportion in den Sinnendingen auffinden heißt die Ähnlichkeit der Proportion mit einem bestimmten, innen im Geist vorhandenen Urbild [harmoniae archetypus qui intus est anima] ans Licht bringen." (Variante der Platonischen Ideenlehre.)

Dane Rudyhar (Die Magie der Töne. Musik im Spiegel des Bewußtseins. dtv/Bärenreiter, München/Kassel 1988, S. 58): elementare Skalen und Tonsysteme sind "archetypisch".

Aleks Pontvik (Heilen durch Musik. Rascher, Zürich 1955, S. 60): Wiegenlieder, Volkslieder und Choräle haben den Status von archetypischen Musikformen.

Patricia Warming (Psyche and Sound. The Use of Music in Jungian Analysis. In: Don Campbell (Ed.): Music and Miracles. Quest Book, Weaton 1992, S. 230-241): beim "aktiven Imaginieren" werden "archetypische Klänge" eingesetzt, die Patienten kulturell nicht einordnen können.


Aktuelle (empirisch verfahrende) Archetypentheorien

Klangarchetypen in der trance-induzierenden Musiktherapie nach Wolfgang Strobel. (Näheres workshop und Blatt 8!)

Rhythmusarchetypen im TaKeTiNa-System von Reinhard Flatischler. (Flatischlers Schriften siehe Literaturverzeichnis. Über Flatischlers Theorie siehe Wolfgang Martin Stroh: Zur psychoanalytischen Theorie der Weltmusik. In: Beiträge zur Popularmusikforschung 19/20, 1997, S. 128-151. Und derselbe: Das "rhythmische Urwissen" und die Archetypen. In: Musiktherapeutische Umschau 4/1997, S. 308-317. Beide Aufsätze als rtf-Download im Internet www.uni-oldenburg.de/~stroh/tiefenwirkung/.)

Carl.G. Jung: Archetypenlehre Reinhard Flatischler: Rhythmusarchetypen
Kollektives Unbewußtes Rhytmisches Urwissen
Es gibt ein kollektives Unbewußtes, eine tiefere Schicht des Unbewußten, die nicht mehr individuellen Erfahrungen entspringt (7). Es gibt ein musikalisches Urwissen in jedem Menschen. Das rhythmische Urwissen ist als Prägung in allen Menschen angelegt (1995,6).
Archetypen Rhythmusarchetypen
Die Inhalte des kollektiven Unbewußten sind die Archetypen. Sie sind noch keiner bewußten Bearbeitung unterworfene, unmittelbare seelische Gegebenheiten (8-9). Das Urwissen ist in Form verschiedener Archetypen im Menschen lebendig. Man bekommt Zutritt zu der Kraft der Archetypen, wenn man sie in sich erkennt (1990,84). TaKeTiNa eröffnet als didaktisches System einen solchen Zutritt für westliche Menschen.
Mythen der Welt Musikkulturen der Welt
Es besteht eine Kongruenz von Träumen, Delirien, Phantasien und aktivem Imaginieren westlicher Menschen und den Mythen der Welt (9, 51-53). Westliche Menschen machen persönlich relevante musikalische Erfahrungen in der Begegnung mit ethnischen Musiktraditionen, z.B. Schamanismus (1990, 15 und 1994, 3). Pulsation, Zyklus und rhytmische Bewegung in den Zwischenräumen sind in allen Musikkulturen realisiert (1990, 84-85).
Begründung Begründung
Archetypen sind Niederschlag sich stets wiederholender Erfahrungen der Menschheit. Archetypen gehen (1) auf die Urerfahrungen im Mutterleib zurück, Herzschlag und Atem (1990, 94-96), (2) sie entspringen einem genetischen Code (1995b): Pulsation, Zyklus und Teilung. (3) Die musikalischen Archetypen Klang und Rhythmus gehen beide auf Schwingungsverhältnisse - Ordnungszahlen - zurück. (1990, Kapitel 5).
Erlebniskomplex Erfahrung
Archetypen sind "schicksalmäßig eintretende Erlebniskomplexe". Man kann sie nicht auflisten und abhaken (32). Ohne Panik aus dem Rhythmus herausfallen (Chaos) und dann "erfahren, daß der Rhythmus uns trägt" (Ordnung): dies ist die Erfahrung des Urwissens (1995,8).
Archetypische Bilder Rhythmusfiguren
Zu unterscheiden ist der abstrakte Archetypus-Begriff von den konkreten archetypischen Bildern ("Zentrierung" und Mandalas, die diese Idee umspielen). Zu unterscheiden ist der Rhythmus als Archetypus von den konkreten Rhythmusfiguren; oder: konkreten Prinzipien, wie Rhythmusfiguren entstehen. TaKeTiNa ist die Didaktik der Rhythmusfiguren (1984, 198, und 1990, 121).  Midifile zur Demonstration der Zwölferglocke in Afrika und Lateinamerika (dasselbe Pattern in zwei unterschiedlichen Timelines.)
Wirkung der Archetypen Wirkung im Rhythmuskreis
Archetypen strukturieren und ordnen die Psyche. Sie tun das in "symbolischen Prozessen". Typische Symbolische Prozesse: Tarot, Chakren, Meridiane, Glaubensdogmen (41).

Menschen können von archetypischen Bildern ergriffen werden. Arbeit mit Archetypen kann die psychischen Prozesse zentrieren, das Seelenleben ordnen.

Rhythmusfiguren integrieren Ordnung und Chaos in einem "Im Rhythmusfeld". Im Rhytmus entdeckt man die zentrale Kraft des Lebens. (Siehe oben: Erfahrung!)

 

 

Verstehen des Selbst und des Anderen - in der Gruppe und ethnisch betrachtet (1995b u.a.). TaKeTiNa als rhythmisches Feld für den westlichen Kulturkreis (1995, 4, und 1996, 14).

Flatischler- Zitate aus "Die vergessene Macht des Rhythmus" 1984; "Der Weg zum Rhythmus" 1990; ein Aufsatz "TaKeTiNa" in "Visionen der Zukunft", hg. von Frank Siepmann. Forum-Verlag Bremen [1995a]. Flatischler-Jahrbuch "Weltsprache Rhythmus" bei Galli Freiburg. Jährlich seit 1993. Jung-Zitate aus der Aufsatzsammlung in 11 Bänden, Band 5 "Archetypen". dtv, München 1985.