Inhaltliche Details zu den möglichen Experimenten:
1 Klangcharakter von Instrumenten (Instrumentenkunde)
Hierzu gibt es kaum ausführliche Literatur, da das Experiment ganz einfach konstruiert ist. Die Frage ist, woran man den Klangcharakter gängiger Musikinstrumente erkennt. Die These ist, dass bei vielen Instrumenten der Klangcharakter im Einschwingvorgang codiert ist. Daher werden von unterschiedlichen Instrumenten Aufnahmen gemacht (bzw. fertige Samples werden verwendet); diesen Aufnahmen wird der Einschwingvorgang (die ersten 20 ms) abgeschnitten.
Experimentalreihe 1: ein abstraktes Experiment zum „Erkennen" der Instrumente mit abgeschnittenem Einschwingvorgang. Als Kontrollreihe kann das original Sample ebenfalls eingespielt werden.
Experimentalreihe 2: eine Melodie oder ein instrumententypisches Musikstück wird eingespielt. usw.
Vergleich von Reihe 1 und 2 könnte einen Hinweis ergeben, dass auch der musikalische Kontext wichtig zur Erkennung von Instrumenten ist.
→ Bemerkung: Das Experiment ist theoretisch einfach, erfordert aber einen relativ hohen technischen Vorbereitungsaufwand.
2 Akustische Täuschungen (Wahrnehmungspsychologie)
Diana Deutsch ist seit 30 Jahren aktiv in der Untersuchung diverser akustischer Täuschungen. Sie hat eine Audio-CD herausgebracht, auf der viele ihrer Experimente eingespielt sind. Dazu gibt es ein Booklet bzw. im Internet ausführliche Erläuterungen. Diana Deutsch hat zu allen Beispielen ausführliche Experimentalreihen durchgeführt. - Die interessantesten und witzigsten dieser Experimente bzw. Täuschungen können nachgemacht und die Ergebnisse von Diana Deutsch überprüft werden.
Arbeitsablauf: Durchhören der CD, Lesen des Booklets. Entscheidung für ein paar Täuschungsversuche. (Die Tonbeispiele sind bereits da, können aber als Midifile auch erweitert/verändert ganz leicht nachgeahmt werden.) Durchfürhung und Auswertung.
→ Bemerkung: dies ist eine sehr unterhaltsame und technisch nicht schwierige Aufgabe bei der es aber einige eigenständige Entscheidungen gibt.
3 Hören tonaler und atonaler Musik (Musikphilosophie)
Um 1970 haben zwei Musikwissenschaftler empirisch untersucht, ob man „Fehler" in tonaler und zwölftöniger Musik hören kann. Das Experiment hatte das Ziel zu beweisen, dass Zwölftonmusik eine kompositorische Sackgasse ist. Für das Experiment wurden in Werken von A. Webern und Ch.P.E. Bach „Fehler" eingebaut, die herausgehört werden sollten.
Das Experiment ist genau beschrieben. Aufgabe wäre, dies Experiment oder - vielleicht besser - ein leicht modifiziertes durchzuführen. Interessant wäre auch, ob es heute nach 35 Jahren gegenüber 1970 Unterschiede gibt.
Das Experiment kann nach Vorbild „nachgemacht" werden. Es gibt über die Ergebnisse und Interpretationen des Experiments von 1971 eine Diskussion in der Fachliteratur. Diese Diskussion sollte auch referiert werden.
→ Bemerkung: Der Gesamtbericht ist theoretisch etwas anspruchsvoll. Die Herstellung und Durchführung des Experiments selbst ist jedoch einfach bzw. kanonisch.
4 Musik fremder Kulturen (Emotionspsychologie)
Dies Experiment hat ein paar zaghafte Vorbilder: die Frage war/ist, ob der emotionale Ausdrucksgehalt, der bestimmten Modi, Skalen oder Musikstücken in der arabischen, indischen oder chinesischen Musik zugesprochen wird, auch in Deutschland herausgehört werden kann. Touma hat deutsche und arabische Student/innen verglichen; Kleinen hat mit Student/innen aus Bremen und Peking experimentiert; Tucek arbeitet „altorientalischer Musiktherapie" in Berliner/Wiener Krankenhäusern. Aus diesen drei „Vorbildern" können eigenständige Experimente mit den Studierenden unseres Kurses durchgeführt werden. Die Fragestellung ist hoch interessant, weil sie an einen Kern „interkultureller Kommunikation" rührt.
→ Bemerkung: Das Experiment kann eigenständig entwickelt werden. Die vorherige Lektüre der drei genannten Untersuchungen ist nicht schwer. Schwieriger ist, ein griffiges Untersuchungsdesign für unseren Kurs zu finden. Dies ist aber auch reizvoll.
5 Musik und Entspannung (Musik und Physiologie)
Heiner Gembris hat ein Experiment entwickelt und ausführlich in seinem Buch „Musik und Entspannung" dargestellt. Dabei wurde untersucht, wie die entspannende Wirkung von Musik vom vorherigen Erregungszustand abhängt. Gembris benutzt gewisse künstliche Laborsituationen, die aber reizvoll sind. Seine Untersuchung gilt als richtungsweisend im Gebiet Entspannungsmusik. Die von ihm verwendeten Musikbeispiele könnten eventuell ausgewechselt werden. Die Skalen und Befragungsinstrumente, die er verwendet, können aber verwendet werden.
→ Bemerkung: Das recht umfangreiche Experiment kann weitgehend einfach „nachgemacht" werden, allerdings mit neuen Musikbeispielen. Insgesamt eine recht gute Aufgabe, bei der nicht viel schief gehen kann.
6 Hörertypologie, Musikgeschmack
Die zitierten 4 Untersuchungen sind nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem großen Gebiet der Hörertypologien und der Erforschung von Musikgeschmack. In Anlehnung an eine dieser Untersuchungen könnten mit neuen Beispielen eine Untersuchung im Kurs gemacht werden. Eventuell kann auch der „klingende Fragebogen" verwendet werden, von dem eine Test-Version existiert (die Hauptversion kostet 2000 Euro!). Eventuell kann aber ein klingender Fragebogen auch selbst programmiert werden.
Alternativ kann Wolfgang Rumpf von Radio Bremen gefragt werden, mit welchen Instrumenten heute der Rundfunk Hörerbefragungen durchführt und ob es dabei Theoriebildung gibt... eventuell kann also auch eine anderen Methode verwendet werden.
Eine Aufgabe für eine extra Gruppe wäre, einen „klingenden Fragebogen" mit einem nur mit Texten arbeitenden zu vergleichen. Man hat nämlich festgestellt, dass es bei diesen beiden Methode sehr große Unterschiede gibt.
→ Bemerkung: Es ist hier einige Arbeit, die richtige Untersuchungsmethode zu finden. Aber, wenn diese gefunden ist, geht die Untersuchung relativ glatt vonstatten. Bei der Auswertung („Cluster" u.a.) muss man sich helfen lassen. Ist aber zu schaffen.
7 Musik und Bild (eventuell zwei Gruppen)
Es gibt mehrere Richtungen, in denen hier gearbeitet werden kann:
1. Wie beeinflusst eine musikalische Untermalung die Wahrnehmung von Bild- und Textinhalten?
2. Wie beeinflusst das Bild bzw. die optische Präsentation die Wahrnehmung und Bewertung von Musik?
Beide Fragen sind für Werbung, Filmmusik und Prestigesuggestion sehr wichtig. In der Literatur gibt es Anregungen, wie eine Untersuchung aussehen kann. Man kann aber auch eigenständig ein Experiment entwickeln.
Bemerkung: Da hier Videoclips oder PowerPoint mit Musikuntermalung hergestellt werden müssen, ist ein größerer apparativer Aufwand erforderlich. Aber, wenn diesen Teil jemand mit Begeisterung macht, ist die Aufgabe insgesamt sehr lustvoll und die Durchführung des Experiments auch meist hoch interessant. Theorie ist nicht viel zu wälzen...
8 Soundwalk (akustische Raumorientierung)
Unter Soundwalk versteht man einen Spaziergang mit verbundenen Augen. Es gibt viele Fragestellungen, die dabei untersucht werden können. Oft dient ein Soundwalk aber auch lediglich der Selbsterfahrung. Als Untersuchungsinstrumente könnten einfache Erlebnisberichte dienen (Kurzaufsätze) oder aber Fragen nach der Wahrnehmung gezielter akustischer Events, die während des Spazierganges inszeniert wurden.
Parallel zum Soundwalk kann auch ein Besuch im schalltoten Raum des Instituts für Physik durchgeführt werden. Dort können auch einfache Orientierungs-Experimente durchgeführt werden.
→ Bemerkung: Das Thema ist reizvoll und vielseitig, methodisch aber etwas schwer zu packen. Die Auswertung von freien Erlebnisberichten ist immer schwierig, gehört aber auch zum Instrumentarium der Musikpsychologie.
9 Wovon hängt das Tonhöhenunterscheidungsvermögen ab?
Das „Grundexperiment“ für die Tonhöhenunterscheidbarkeit von Tonhöhen („JND-Experiment“), das im Akustikkurs durchgeführt wird, kann in vielfacher Weise variiert und ausgeweitet werden:
Zu allen diesen Fragen kann das Grundexperiment JND erweitert werden. Zu allen Fragen gibt es in Büchern über Psychoakustik und Hörpsychologie auch theoretische Erörterungen.
→ Bemerkung: Diese Experimente sind leicht durch zu führen, man kann etwas Kreativität an die verschiedenen Fragen- und Aufgabenstellungen verschwenden.