Hertz- und Magen-Vomitiv zur Kühlung
Packe dich Bluthund, du Primo-Vezier
Nichts verfanget dein hundisches Pochen!
Laufe nach Hause, du Mahomets-Thier
An dem die Christen sich rühmlich gerochen!
Frage den Mahomet, deinen Propheten
Warumb Er lasse Sein Ebenbild tödten?
Schäme dich Wüterich, Christen-Tyrann,
Daß du bey Vierzigmal-Tausend verlohren;
Sage, was Starenbergs Helden-Faust kan,
Hat er dich, Bluthund, nicht tapfer geschohren?
Die Janitscharen und Spahi zusammen
Wurden vertilget durch Schwerdter und Flammen.
"Der kranke Mann am Bosperos" gegen Ende des 19. Jahrhunderts und das Verhältnis Deutschland-Türkei im 20.Jahrhundert
Erster Weltkrieg: Türkei (verliert) an der Seite Deutschlands |
(als Folge:) bis 1923 Kämpfe gegen die Zerschlagung der Türkei |
1923 endgültiger Sieg Attatürks über die Griechen = Gründung eines weltlichen ("europäischen") Staates |
1935/36 Paul Hindemiths Vorschläge für ein neues türkisches Musikleben" (MHS Ankara, Opernhäuser etc.) |
1933-45 deutsche Flüchtlinge in die Türkei, unter anderem 100 Hochschullehrer, davon 12 an der MHS Ankara (durch Vermittlung Hindemiths) |
Februar 1945: Kriegserklärung der Türkei an Deutschland |
1952 Beitritt der Türkei zur Nato |
1961 - 1973 Gastarbeiteranwerbung |
1983 Irmgard Merkts "Deutsch-türkische Musikpädagogik in der Bundesrepublik" (Beginn der interkulturellen Musikerziehung in Deutschland) |
2001 leben in Deutschland 2,1 Mio. Türken. 2002 reisen 2,2 Mio. Deutsche in die Türkei. |
2. Die türkische Musik
Klassische Janitscharenkapelle
Tonbeispiel "Genc Osman" gespielt von der Mehter Band of the Asker Müze (Istanbul)
Wichtigste Motive des Tonbeispiels. Auf dem Midifile sind die "Vierteltöne" besser als auf der Audio-Aufnahme zu hören: das b ist erhöht, das Cis erniedrigt.
Zurna und Davul sind noch heute in Deutschland obligatorisch bei kurdischen und einigen türkischen Hochzeiten. Sie waren die ersten Instrumente Osmanischer Militärmusik.
Instrumente der Janitscharenmusik:
Urbestand (seit 850) | Zurna | Oboe (Aulos) |
Davul | große Trommel | |
Standard dazu | Born | Naturtrompete |
Nakkare | Paar Kesselpauken | |
Zil | Becken | |
Cagana | Schellenbaum | |
gelegentlich dazu | Flöten | |
Rahmentrommeln |
Merkmal türkischer (Kunst-)Musik:
Tonvorrat | "Maqam", ungewöhnliche "Skalen" |
Melodik | ständige Motivumspielung, differenzierte Artikulation |
Harmonik | keine Akkorde, nur Oktavierung und Umspielung |
Rhythmik | Percussion ist einziger "Kontrapunkt", kompliziert |
Instrumente | nasaler Klang, Spaltklang |
Improvisation | in strengen Regeln, nur Melodieverzierung |
3. Alla turca (= abendländische Musik mit Orient-Intonation)
Siehe auch den Text von Vladimir Ivanoff
Kenntnisstand der abendländischen Musiker/Komponisten bezüglich türkischer Musik
G. B. Donado (1688): Über die türkische Musik
"Tatsächlich leiden ihre allgemeinen und gewöhnlichen Musiken am Lärmenden, da die türkische Nation kriegerisch ist, und den Paschas die Verpflichtung auferlegt bleibt, an ihrem Hof und in ihren Diensten wenigstens 36 Instrumente zu halten, die zum größten Teil militärisch sind, wie Trommeln und Pauken, Pfeifen, Flöten; doch gesellen sie jenen noch einige Fistule, mehrere Sorten von kleinen Pfeifen, sehr zart, verschiedene Saiteninstrumente, unter denen welche mit Metallsaiten, und auch das nämliche Psalterium; unter diesen gibt es solche, denen auch unsere Arten von Musiken gelingen, und die werden mitunter auch von den anderen getrennt, um sie vereint die folgenden und andere Lieder singen zu lassen, mit einem oder mehreren Instrumenten, mit Sinfonien oder ohne, aber mit der alleinigen Begleitung."
Die Komponisten in Wien, Lissabon, Berlin und Stockholm kannten die osmanische Kunstmusik so gut wie nicht, zumindest waren sie von ihr nicht sonderlich beeindruckt. Was aber bekannt war und auch das Orientbild gestaltete, war die militärische Janitscharenmusik.
Musiktheorie: die typischen "Orientalismen" in der Musik der "Klassik"
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alla turca "Instrumentation":
Mozart: Entführung aus dem Serail, Janitscharenchor |
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alla turca: Melodik, Harmonik:
Mozart: Violinkonzert 5, A-Dur, letzter Satz |
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alla turca: Rhythmus, Form
Johann Joseph Fux: Tanzpartita, 3. Satz "Janitschard" |
Musikbeispiele (für den alla-tuca-Quiz)
Mozart: Janitscharenchor aus der "Entführung aus dem Serail" (1782) |
Gluck: Ouverture zu "Le Recontre imprévue" oder "Die Pilger von Mekka" (1764) |
Kraus: "Marcia dei Giannizzari" aus "Soliman II" (1789) |
Süssmayr: "Sinfonia turchesa" (ca. 1798), 3. Satz "Minuetto/Trio" |
Mozart: 5. Violinkonzert A-Dur, 3. Satz (Menuett mit Trio alla turca) |
Süssmayr: "Sinfonia turchesa" (ca. 1798), 4. Satz (Finale) |
Kraus: "Marcia del Sultano" aus "Soliman II" (1789) |
Sulaiman II-Opern im 18. Jahrhundert:
- Johann Adolf Hasse: Solimano II (UA Dresden 1753). Text Giovanni Ambrogio Migliavaca.
- [Comödie] Paul-Cäsar Gibert: Soliman second on Les Trois sultanes (UA Paris 1761). Text Charles Simon Favart.
- Giuseppe Sarti (1729-1802): Soliman den anden (UA 1770 Kopenhagen). Text Charlotte Dorothea Biehl nach Favart (1761).
- Joseph Martin Kraus: Soliman II eller De tre sultaninnorna (UA 1789 Stockholm). Text J. G. Graf Oxenstierna nach Favart (1761).- Erzählung "Soliman II" aus "Contes moraux", 1761 von Jean-Francois Marmontel - war Grundlage des Favart-Textes.
- David Perez (1711-1778): Solimano (UA 1768 Lissabon). Text unbekannter Verfasser.
- Franz Xaver Süssmayr (1766-1803): Solioman der Zweite oder Die drei Sultaninnen (UA 1799 Wien). Textvorlage wie bei Kraus.
4. Interpretation: Angstverarbeitung mit Musik
Angsttyp: | Angstverarbeitung: | Musik: |
Realangst= das Angstobjekt existiert | Dem Feind die "Waffen" entreißen. | Höfe legen sich selbst Janitscharenkapellen zu und spielen "alla turca". |
Den Feind mit den eigenen Waffen bekämpfen. | In Wien tritt der Kaiser mit seiner Militärmusik gegen die türkische Musik an. | |
Neurotische Angst = das Angstobjekt existiert nicht, aber die Angstsymptome treten auf | Das Angstobjekt vergrößert darstellen zum Zwecke der Katharsis | Orientklischee 1: die türkische Musik wird martialischer dargestellt als sie ist; es wird nur die Janitscharenmusik rezipiert. |
Die Gefahr als "eingebildet" darstellen und somit aufklärerisch wirken. | Orientklischee 2: der türkische Herrscher (Sultan) ist gütig, weise und aufgeklärt, ja die Projektion eines idealen Fürsten. | |
Das Angstobjekt lächerlich machen und verspotten, also "verkleinern". | Orientklischee 2: der türke als ein lächerlich, aufgeblasener Mensch, die Musik als "unter Niveau", primitiv und "unharmonisch" |
Die musikalische "Türkenmode" des 18. Jahrhundert ist gezeichnet von dem "Triumph" der Vertreibung der Türken aus Österreich - zugleich aber ständigen "Kleinkriegen" um die Schauplätze Belgrad, Siebenbürgen, Ungarn etc. Die Türkengefahr ist noch latent vorhanden, jedoch auch durchaus "eingebildet". Insgesamt treten 5 Dimensionen der Angstverarbeitung durch Musik auf - und dies ist auch die sozialpsychologische Deutung der musikalischen Türkenmode im 18. Jahrhundert.
Diese zwiespältige Konstellation ist bis heute geblieben und im Verhältnis der USA gegenüber den Arabern wieder sehr konkret: einerseits ist man selbst überzeugt, das Gute zu repräsentieren und die andern mit der "Achse des Bösen" in Verbindung zu bringen; andererseits existiert seit dem 11. September eine "reale Gefahr", die allerdings so groß gezeichnet wird (Bio-Waffen des Irak, Antrax-Angriff auf USA usw.), dass sie auch wieder neurotische Züge trägt.
Man höre Mozarts "alla turca" aus dem 5. Violinkonzert als Programmmusik dieser zwiespältigen Situation!
Menuettthema | das Gute wird dargestellt, ist zunächst arglos |
Mollthema (Buchstabe K) | das Böse gibt sich kurz als Gefahr zu erkennen |
Geige: Antwort auf das Mollthema | das Gute dominiert und nimmt die Gefahr noch leicht hin |
Wiederholungen | der Vorgang wiederholt sich mehrfach, es wird bedrohlicher, ernster, der Ton ist fast klagend - bis hin zum Entschluss, dass etwas getan werden muss |
2. Thema (Buchstabe L) (a-moll-Dreiklang) | der präventive Aufmarsch des Guten mit militärischen Mitteln |
3. Thema (Buchstabe M) (chromatisch) | das Böse leistet Widerstand und kommt aus allen Verstecken hervor, die Guten kommen nur mühsam voran |
4. Thema (Buchstabe N) | das Gute schöpft Mut und behält die Oberhand |
Wiederholung 2.Thema | beim Einmarsch in die Hauptstadt ist nochmals Widerstand zu brechen (Flughafen!) |
5.Thema (Buchstabe P) | wieder behält das Gute die Oberhand, beim chromatischen Abgang allerdings Unsicherheit, ob der "Sieg" nachhaltig und endgültig ist |
alle weiteren Wiederholungen und Varianten | Erinnerung (oder Albtraum?) an die vorläufige Überwältigung des Bösen durch die Guten |