zur Indexseite Musiktheaterpädagogik S 2003/04

Blatt 8

Augusto Boal

Beispiele aus Boals Reservoire von Techniken:

Zeitungstheater

Zeitungsartikel laut lesen und mit Realität konfrontieren.

Unsichtbares Theater

Schauspieler mischen sich unters Volk und brechen eine realistische Diskussion vom Zaun.

Statuen-Theater

Zwei Standbilder: Ausgangsstandbild = reale Situation, End-Standbild = utopische Situation. Der Übergang zwischen beiden Bildern wird gespielt.

Forum-Theater

Zuschauer verändern den Spielablauf, wechseln Spieler aus, drehen den Spielablauf zurück usw.

Blitzforum

Zuschauer setzen eine gespielte Szene (gegebenenfalls nach "Stop-Ruf") fort.

Stopp-"Denk nach!"

Ein Stopp-Ruf friert die Spieler ein. "Denk nach!" Dann laut Gedanken aussprechen. (Nur den inneren Monolog aussprechen.) "Aktion!"

Jahrmarkt

Im Raum werden mehrere Szenen gleichzeitig improvisierend gespielt und dann miteinander in Beziehung gesetzt.

Drei Wünsche

Spielen - "Stop!", alle frieren ein - jemand darf Bild nach Wunsch verändern - es geht weiter (dies 3 Mal).

Für Taube spielen

Eine gesprochene Szene ohne Worte wiederholen.

Spaltung

(Trennung des inneren vom äußeren Monolog) Spiel einfrieren, Gedanken in (innere) Worte fassen, Dialog ohne Bewegung, Gedanken in stummer Aktion zum Ausdruck bringen.

"Sachte!"

Bei sehr aufgeheizter Situation extrem leise sprechen.

Jakob Levy Moreno

Exemplarische Techniken des Psychodramas:

Rollentausch

Mitten im Spiel werden zwei Rollen vertauscht.

Doppeln

Zuschauer treten während des Spiels in die Szene und agieren als "Hilfs-Ich".

Spiegeln

Teile einer Szene werden von einer ZuschauerIn nochmals nachgespielt. Die Spielerin soll sich "von außen sehen".

der Leere Stuhl

Eine wichtige Person wird (in der Vorstellung) auf einen leeren Stuhl gesetzt und dann wie ein Kommunikationspartner angesprochen.

Zauberladen

Persönlichkeitsmerkmale, Gefühle oder Phantasien können gekauft werden. Bezahlt wird mit eigenen Persönlichkeitseigenschaften bzw. -anteilen.

Beiseite Reden

Während des Spiels besteht die Möglichkeit, seine "wirklichen Gedanken" beiseite zu sprechen. (Bekannte Technik im klassischen Theater.)

 

Gruppenübung zu
"Theater der Unterdrückten" nach Boal und "Psychodrama" nach Moreno

Thema: "Musikpiraterie versus Klauen im Kaufhaus"

Hintergrund:

Einer vor einer Woche veröffentlichten Untersuchung zufolge schwänzen 50% der Jugendlichen „gelegentlich" die Schule. Von den Schwänzern sagen 33%, dass sie auch manchmal „ein Ding drehen". Kriminalstatistiken sagen aus, dass kleinere Kriminaldelikte immer häufiger auch von Jugendlichen zwischen 11 und 15 begangen werden, vor allem Kaufhausdiebstahl. Das Unrechtsbewusstsein sei zwar vorhanden, von anderen „Motiven" jedoch überdeckt. Diverse Landes- und Bundesregierungen planen entsprechende Aufklärungskampagnen, polizeiliche Maßnahme und härtere Bußgelder für Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.

In derselben Woche beklagte die deutsche Musikindustrie den Rückgang der Umsätze und Gewinne. Ursache sei die „Musikpiraterie", der man in Zukunft härter als bisher zu Leibe rücken werde. Die technischen Schutzmaßnahmen seien weitgehend ausgeschöpft. Es müsse konsequenter durchgesetzt werden, dass Kopieren und Tauschen von kopierten Musikstücken grundsätzlich illegal ist. Diese Akte schaden nicht nur der Musikbranche und den Künstlern, sondern zeugten schlichtweg von falschem Bewusstsein gegenüber Straftaten und Gesetzen. Leider fehle bei den Jugendlichen aber das Unrechtsbewusstsein.

Beispielhafte Konstellation für eine Szene oder mehrere Szenen:

  • Ein Jugendlicher klaut eine CD im Kaufhaus.
  • Seine Schwester findet das nicht gut.
  • Er wird erwischt, die Eltern sollen ein Bußgeld zahlen.
  • Die Eltern möchten, dass ihr Sohn das Bußgeld zahlt. Sie argumentieren juristisch und auch moralisch ("wo kämen wir denn hin, wenn jeder...").
  • Der Sohn stellt fest, dass sein Vater am Tag zuvor die CD eines Kollegen kopiert hat.
  • Im Freundinnenkreis der Schwester werden eifrig mp3’s getauscht und aus dem Netz geladen.
  • Eine Freundin zitiert Madonna, die sagte, sie habe nichts gegen „Raubkopien".
  • Der Sohn sagt: "CD-Klauen im Kaufhaus ist schwieriger und riskanter als das Kopieren von CD’s, aber deshalb nicht weniger kriminell oder verwerflich."

Aufgabe:

Eine Szene entwickeln und eine oder mehrere der Methoden (Blatt 8)
- (Gruppe A) von Boal bzw.
- (Gruppe B) von Moreno
dabei anwenden.

Anmerkung:

Diese Aufgabe steht prototypish für das Entwickeln von Szenen durch Jugendliche unter Anleitung eines Lehrers als Spielleiter: Es gibt eine Idee zu einer konflikthaltigen Situation und nun soll spielerisch (und nicht theoretisch) eine konkrete Szene entwickelt werden.