Zur psychoanalytischen Theorie der Weltmusik

1. Weltmusik als interkulturelle Kommunikation

Die Er�ffnungsfeierlichkeiten der Leichtathletik-Weltmeisterschaften am 13.8.1993 in Stuttgart waren eingebettet in eine aufwendige Demonstration von Weltmusik: die Inszenierung von Eberhard Schoeners "Harmonia Mundi". Musikgruppen aus vier Kontinenten wurden �ber Satellit live mit einer Band im Stuttgarter Fu�ballstadion verschaltet. Die Lautsprecheransage am Ende der Darbietung "Auch diese Satellitenschaltung hat funktionert! Wir gr��en die Musiker aus Bali, Brazilien, Kairo und Australien" suggerierte dem applaudierenden Publikum und den FernsehzuschauerInnen, da� die entscheidende Frage derart interkultureller Kommunikation sei, ob und wie die Vernetzung der Kontinente technisch bewerkstelligt werden kann.

Ich bin der Meinung, da� solch eine Suggestion nicht tragf�hig ist.

Ich verkenne nicht, da� Weltmusik grunds�tzlich eine industriestaatliche Inszenierung interkultureller Kommunikation ist. (Sie ist allerdings noch mehr als dies. Und nicht jede industriestaatlich inszenierte interkulturelle Kommunikation ist Weltmusik.) Weltmusik entsteht nicht von selbst, naturw�chsig oder einem immanenten "Bed�rfnis" der Kulturen der Welt folgend. Sie wird vielmehr von industriestaatlichen "Zentren" aus inszeniert und dies aus einem genuin "westlichen" Bed�rfnis heraus: Peter Gabriel, Paul Simon, Joachim Ernst Berendt, Reinhard Flatischler, Eberhard Schoener etc.

Ich gehe aber nicht davon aus, da� die industriestaatliche Inszenierung interkultureller Kommunikation verwerflich ist. Ich setze auch nicht voraus, da� diese Inszenierung notwendig kommerziell ist. Ich gehe aber davon aus, da� zwischen industriestaatlicher Inszenierung und interkultureller Kommunikation ein Widerspruch besteht. Die entscheidende Frage ist meines Erachtens, ob dieser Widerspruch als Produktivkraft f�r neue musikalische Erfahrungen genutzt wird oder nicht.

Im vorliegenden Referat m�chte ich von Versuchen berichten, die Voraussetzung zur Beantwortung dieser Frage zu schaffen. Und zwar m�chte ich exemplarisch untersuchen, ob die Vorstellung von Weltmusik als interkultureller Kommunikation pures Wunschdenken ist, das gegebenenfalls durch Suggestop�die ersetzt wird, oder einen Realit�tsgehalt hat.

Hierzu bedarf es nicht der Feststellung, da� und wie die Welt vernetzt ist, sondern einer theoretischen �berlegung dazu, ob solch eine Vernetzung kommunikationstheoretisch �berhaupt einen Sinn hat und zu interkultureller Kommunikation taugt.


2. Vom praktischen Nutzen einer Theorie interkultureller musikalischer Kommunikation in der BRD

Bevor ich die psychoanalytische Theorie von Weltmusik als Beispiel f�r solch eine Theorie darlege, m�chte ich kurz sagen, warum es f�r die Bundesrepublik Deutschland vielleicht existentiell wichtig sein kann, auf diesem theoretischen Feld mehr Klarheit zu gewinnen. Nicht wegen der paar Festivals oder CD-Produktionen von Weltmusik. Sondern wegen neuartiger multikultureller Konflikte, die sich derzeit in Schulen und auf den Stra�en einiger deutscher Gro�st�dte anbahnen. Diese Konflikte "neuen Typs" sind weder mit dem Links-Rechts-Schema, noch mit deutschen Ausl�nderfeindlichkeits-Syndromen fassbar. Es handelt sich um den Umgang mit oft monokulturellen (�berwiegend t�rkischen), bisweilen auch multikulturellen Jugendgruppen, die gegen ihre Eltern, die sich als Gastarbeiter dem deutschen System angepa�t haben, die gegen sozialintegrative Jugendarbeit, die gegen andere Ausl�ndergruppen, die gegen Polizei, den deutschen Staat und deren vermeintliche Repr�sentanten (wie t�rkische L�den, deutsche Rentner, nicht-islamische Jugendliche, verwestlichte t�rkische M�dchen etc.) mit Gewalt "vorgehen".Das Bild einer multikulturellen Berliner Musikgruppe war als Hoffnungstr�ger einem eher resignierten Bericht des bekannten Jugendbanden-Forschers Eberhard Seidel-Pielen �ber diese neue Problematik in der ZEIT vom 14.4.1996 beigegeben. Unter der Bezeichnung "die netten Jungs vom Kiez" problematisiert Seidel-Pielen den herk�mmlichen Ansatz interkultureller P�dagogik und Sozialarbeit. Diese war in den 80er Jahren davon ausgegangen, da� das "nationale Selbstbewu�tsein" ausl�ndischer Kinder und Jugendlicher gest�rkt werden m�sse. Sie hatte seinerzeit die integrative Erziehung der 70er Jahre als kultur-diskriminierend und somit gescheitert bezeichnet und einen radikalen Kulturpluralismus vertreten. Die leidige Debatte um Universalien interkultureller Kommunikation schien vom Tisch gewesen zu sein (vgl. AUERNHEIMER 1995, 124-163).W�hrend die genannten Konflikte neuen Typs politisch relativ einfach aus der Lebenssituation der in deutschen Ausl�ndervierteln geborenen Kindern und Jugendlichen abzuleiten ist, ist der theoretische Hintergrund f�r schul- und sozialp�dagogische Ma�nahmen umstritten. Letztendlich geht es um die Frage, ob und, wenn ja, wie interkulturelle Kommunikation und eine multikulturelle Republik m�glich ist. Die These vom radikalen Kulturpluralismus der 80er ist heute offensichtlich nicht mehr haltbar. Die Frage stellt sich - kurz bevor die politische Staatspleite m�glicherweise zur Schlie�ung aller entsprechenden Initiativen f�hrt - in Berlins, K�lns oder Frankfurts Jugendzentren und Schulen erneut: Gibt es kultur�bergreifende Faktoren, gibt es sogenannte Universalien interkultureller Kommunikation? Das Bild in der ZEIT suggeriert unter Anspielung auf eine popul�re Meinung die Antwort: "Ja, und zwar in der Musik!"


 

3. Psychoanalyse als "universalistische Theorie" 

Weltmusik als interkulturelle Kommunikation steht und f�llt mit der Antwort auf die Frage, ob es einen interkulturellen "Code" (= Universalien interkultureller Kommunikation) gibt. Das hei�t, ob alle kulturspezifischen musikalischen T�tigkeiten der Menschen Ausformungen kulturunspezifischer Eigenschaften von Musik sind.Von musikwissenschaftlicher Seite gibt es zwei Zug�nge zur Frage, ob und, wenn ja, welche Universalien interkultureller Kommunikation es gibt. Der eine geht so vor, da� in interkulturell durchgef�hrten empirischen Experimenten untersucht wird, auf welchen Ebenen Musik "verstanden" werden kann, wenn sie aus ihrem kulturellen Kontext gerissen wurde.Bei solchen Experimenten spielt die Erkl�rung eine der ph�nomenologischen Beschreibung untergeordnete Rolle. Auf diesen Typ Untersuchung gehe ich nicht n�her ein. Helmut R�sing hat im Handbuch Musikpsychologie einiges - auch aus der eignen K�che - zitiert. In j�ngster Zeit hat G�nter Kleinen mit Bremer und Pekinger Musikstudierenden Laborexperimente durchgef�hrt. Ebenfalls in Bremen arbeitet Inge Cordes �ber internationale Wiegenlieder. Der in Berlin t�tige pal�stinesische Musikforscher Habib Hassan Touma berichtet von Experimenten zum Ausdrucksgehalt von Maqams. Immer wieder hat man dabei feststellen m�ssen, da� es bis in den emotionalen Bereich hinein "Universalien" zu geben scheint, auch wenn die konkreten musikalischen "Bilder" oder die "Tonsprache" mi�verstanden werden. Die scheinbare Existenz von Universalien musikalischer T�tigkeit hat auch dazu gef�hrt, da� das Universalismus-Problem gar nicht als eines der kulturellen T�tigkeit von Menschen, sondern als Eigenschaft der Musik selbst betrachtet wurde. Der zweite Zugang zur Frage, ob und, wenn ja, welche Universalien interkultureller Kommunikation es gibt, wird prototypisch von der Tiefenpsychologie praktiziert. Die wichtigsten Methoden und Anwendungsfelder sind folgende:

Die klassische Psychoanalyse versucht in die tiefsten Tiefen des menschlichen Bewu�tseins vorzudringen. Dabei gilt unausgesprochen die These, da� je tiefer die Schicht, umso universalistischer deren Inhalte. Sehr elementare musikalische Prozesse k�nnen, so eine Erfahrung der Musikpsychotherapie, in jene Tiefen vordringen. Nach Sigmund Freud k�nnen K�nstlerInnen dorthin verdr�ngte Inhalte in Form von Kunstwerken sublimieren. Normalb�rgerInnen auf der Couch ist dies allerdings nicht m�glich.Die klassische Psychoanalyse ist dort, wo sie universalistische Aussagen �ber "den" Menschen gemacht hat, zu Recht kritisiert worden. Dabei bezog sich die Kritik allerdings weniger auf die implizite Unterstellung, die Tiefenschicht des menschlichen Bewu�tseins sei universeller Natur, als vielmehr auf die Deutung der Symptome, die jener Schicht entsprangen. Diese Symptome sind in jedem Falle kultur-, klassen- und sozial bedingt. Dasselbe gilt f�r die therapeutische Diagnose und Heilungsstrategie. Die Frage, ob in jedem Menschen auf einer psychisch tiefen Schicht "Allgemeinmenschliches" angesiedelt ist, ist durch die g�ngige Freud-Kritik noch nicht erledigt.Die Ethnopsychoanalyse analysiert die Interaktion zwischen ForscherIn und Menschen aus zu erforschenden fremden Kulturen mit Kategorien der Psychoanalyse. Der Forschungsproze� wird als eine spezifische Art interkultureller Kommunikation beschrieben und gedeutet, die �hnlichkeiten mit einer psychtherapeutischen Sitzung hat. Das forschende Interesse wird als Ausdruck der einen Kultur interpretiert. Die Bereitwilligkeit der Erforschten sich darzustellen und etwas mitzuteilen als Ausdruck der anderen Kultur.Die Jung’sche Psychoanalyse stellt den interkulturellen Vergleich auf dieselbe Ebene wie die individualpsychologische Tiefenerforschung. Konsequenterweise hat Carl G. Jung das theoretische Konstrukt des (individuellen) Unbewu�ten von Freud erg�nzt durch das Konstrukt des kollektiven Unbewu�ten. Die Traum- oder Wahnsinnsforschung wird erg�nzt durch Mythologieforschung und Vergleichende Kulturanthropologie. Carl Gustav Jung hat mit seinem Konstrukt des kollektiven Unbewu�ten und der damit zusammenh�ngenden Archetypenlehre die These, da� die individuellen psychischen Tiefenschichten universalistisch seien, jenseits der Couch untersuchbar gemacht. Diese Untersuchungen sind f�r Fragen der interkulturellen Kommunikatin von gro�em Interesse. Ihnen werde ich mich im folgenden widmen.

4. "Archetypen" in der traditionellen musikwissenschaftlichen Diskussion

Der Begriff des "Archetypus" wird in der musikwissenschaftlichen Literatur in unterschiedlichen Zusammenh�ngen verwendet.Im publizistischen Umfeld der harmonikalen Klangforschung wird sehr h�ufig auf Johannes Kepler Bezug genommen, der einerseits explizit von astrologischen "Archetypen" spricht und andererseits eine Carl G. Jung sehr verwandte These vertritt. Kepler meint, da� der Mensch nur deshalb spontan auf harmonikale Verh�ltnisse der Musik reagieren k�nne, weil der menschlichen Seele "musikalische Proportionen" als "Urbilder" einbeschrieben seien. Ein auf das harmonikale Tonh�henph�nomen bezogener ("harmonikaler") Archetypus spielt auch bei Dane Rudyhar eine Rolle, der elementare Skalen - zum Beispiel die pythagoreische - als "archetypische Formen" bezeichnet. Aleks Pontvik geht noch einen Schritt weiter, wenn er Wiegenlieder, Volkslieder und Chor�le in den Status von archetypischen Musikformen erhebt.Den umgekehrten Weg geht Fritz Stege, der mit explizitem Bezug auf Carl G. Jung vom Kreis als musikalischem Archetypus spricht und damit eine Ebene des musikalischen Materials anspricht, die "hinter" der der Tonh�henorganisation liegt. Stege erw�hnt auch - 1961 -, da� der ihm nahe stehende "Arbeitskreis Carl Gustav Jung" sich noch nicht mit musikalischen Archetypen befa�t habe. Carl G. Jung soll nach einer Mitteilung der Pianistin Margaret Tilly 1956 ge�u�ert haben, da� ihn Musik "irritiere", weil "Musik mit einem sehr tiefen archetypischen Material arbeitet und die Leute, die Musik spielen, dies nicht realisieren" . Einen Musikeinsatz im Rahmen der Jung’schen Psychotherapie beschreibt Patricia Warming. Obgleich sie sich theoretisch auf die Tradition der harmonikalen Archetypen und die "Kymatik" Hans Jennys bezieht, praktiziert sie doch �berwiegend das, was in der deutschen Musiktherapie "Klangarchetypus" genannt wird. Beim "aktiven Imaginieren" - einer auf Jung zur�ckgehenden Technik - werden gezielt Kl�nge eingesetzt, die die PatientInnen kulturell nicht einordnen k�nnen. Es �berrascht nicht, da� die bisher zitierte Diskussion sich zeitlich um den 2. Weltkrieg herum abspielt und geografisch in der Schweiz, �sterreich und den USA angesiedelt ist, selbst wenn die zitierten B�cher oft erst in den 60er bis 80er Jahren erschienen sind. Die Diskussion steht trotz Carl G.Jungs kulturvergleichenden Studien noch voll und ganz in der Tradition der abendl�ndischen Musik. Sie klebt daher am Tonh�henph�nomen der Musik und am pythagoreischen Zahlenwesen. Den Mut, den weltweiten Schamanismus mit seinen archetypischen Formen Klang und Rhythmus wahrzunehmen, brachte diese Diskussion noch nicht auf.


5. "Archetypen" in der aktuellen Diskussion: Klang und Rhythmus 

Die aktuelle Diskussion um das kollektive Unbewu�te, um musikalische Archetypen und die Universalien von Musik ist gepr�gt durch

  • die L�sung von der Fixierung auf harmonikale Archetypen und das abendl�ndisch-pythagoreische Zahlenwesen,
  • die Entdeckung von Rhythmus- und Klangarchetypen in vielen Kulturen der Welt,
  • das Prinzip der interkulturellen Kommunikation bei der Umsetzung dieser Entdeckung in westliche Musik- und Therapiepraxis und
  • eine ungew�hnlich praxisorientierte Art von "Handlungsforschung".
Richtungsweisend f�r diese neue Sicht- und Handlungsweise scheint mir die
  • Tranceinduzierende Musiktherapie von Wolfgang Strobel (W�rzburg) und Tonius Timmermann (FMZ M�nchen) und
  • TaKeTiNa bzw. MegaDrums von Reinhard Flatischler (Zist/Bayern und Wien)
zu sein. Ich m�chte im folgenden diese Projekte unter dem Aspekt von Forschungsvorhaben und nicht �sthetisch, medizinisch oder kulturpolitisch interpretieren. In einigen Jahren wird es vielleicht m�glich sein, ein drittes Projekt vorzustellen: die kollektiven, bewu�tseinsver�ndernden Erfahrungen junger Menschen bei Rave-Parties.

 5.a Klangarchetypen in der Tranceinduzierenden Musiktherapie (Wolfgang Strobel)

Therapien, die mit ver�nderten Bewu�tseinszust�nden arbeiten, verwenden nicht selten die schamanische Technik des monotonen, repetitiven Klanges. Selbst in der klassischen Hypnotherapie spielt die rein klangliche Seite der hypnotischen Suggestion eine wichtige Rolle. Wolfgang Strobel hat, als er mit bewu�tseinsver�ndernde Klang-Techniken aus verschiedenen Kulturen der Welt experimentiert hat, die Beobachtung gemacht, da� neben der allgemeinen tranceinduzierenden Wirkung von Instrumentalkl�ngen auch die spezifischen Kl�nge eines Instruments regelhafte Auswirkungen auf das "Thema des Erlebens" (1992b, 99) einer PatientIn haben. Diese Beobachtung wurde, nachdem sie �ber Jahre hinweg systematisiert worden war, zum Ausgangspunkt einer 1988 recht konsistent vorgetragenen Archetypen-Lehre. Der zentrale Satz dieser Lehre lautet: "Die verschiedenen Klangstrukturen scheinen also energetischen Urmustern zu entsprechen und Urkr�fte darzustellen, welche ganz bestimmte Themenkomplexe im Unbewu�ten des Menschen anzusto�en verm�gen. Aus diesem Grund ist es sicher gerechtfertigt von Klangarchetypen zu sprechen" (STROBEL 1992b, 101). Die therapeutische Praxis und damit der Einsatz der Instrumente folgt dem klassischen Schema der Psychotherapie:

Mit dem folgenden Schema habe ich versucht, die Theorie, die sich aus diesem zentralen Lehrsatz heraus entfaltet, schrittweise in das Theoriegeb�ude Carl G. Jungs einzuf�gen.

 

Carl.G. Jung: Archetypenlehre Wolfgang Strobel: Klangarchetypen
Kollektives Unbewu�tes Energetische Urmuster
Es gibt ein kollektives Unbewu�tes, eine tiefere Schicht des Unbewu�ten, die nicht mehr individuellen Erfahrungen entspringt (Jung 7). Monochrome Klangstrukturen entsprechen energetischen Urmustern, stellen Urkr�fte des menschlichen Bewu�tseins dar. Eigenschaften der Klangwirkungen sind die der allgemeinen Trance-Induktion (1992b, 99).
Archetypen Klangarchetypen
Die Inhalte des kollektiven Unbewu�ten sind die Archetypen. Sie sind noch keiner bewu�ten Bearbeitung unterworfene, unmittelbare seelische Gegebenheiten (Jung 8-9). Die verschiedenen Klangstrukturen verm�gen ganz bestimmte Themenkomplexe im Unbewu�ten des Menschen anzusto�en. "Aus diesem Grunde ist es sicher gerechtfertigt, von Klangarchetypen zu sprechen" (1992b, 101).
Mythen der Welt Heiltraditionen der Welt
Es besteht eine Kongruenz von Tr�umen, Delirien, Phantasien und aktivem Imaginieren westlicher Menschen und den Mythen der Welt (Jung 9, 51-53). Bei der tranceinduzierenden Musiktherapie spielen "Bilder aus dem kollektiven Unbewu�ten", "Erfahrungen aus anderen Kulturen" eine Rolle (1992b, 112). Die archetypische Wirkung der verwendeten Instrumente wird durch Wirkungen im ethnischen Kontext erkl�rt (1992a, 292-296).
Begr�ndung Begr�ndung
Archetypen sind Niederschlag sich stets wiederholender Erfahrungen der Menschheit. [Strobel gibt keine explizite Begr�ndung f�r das Entstehen von Klangarchetypen.]

Unterschiede in der Klangwirkung werden bisweilen auf unterschiedliche Obertonstrukturen zur�ckgef�hrt (Monochord = harmonikal und stabil, Klangschale = quasiperiodisch und schwebend, Gong = oszillierend und ver�nderlich).

Erlebniskomplex Evidenzerlebnisse
Archetypen sind "schicksalm��ig eintretende Erlebniskomplexe". Man kann sie nicht auflisten und abhaken (Jung 32). Die von den Kl�ngen ausgel�sten Motive und symbolischen Urbilder sind "keine wissenschaftlichen Begriffe, von denen Eindeutigkeit gefordert werden kann" (1992b, 101-102).
Archetypische Bilder Archetypisches Themenfeld
Zu unterscheiden ist der abstrakte Archetypus-Begriff von den konkreten archetypischen Bildern ("Zentrierung" und Mandalas, die diese Idee umspielen). Neben der allgemeinen Klangwirkung (Trance-Induktion) gibt es eine der spezifischen Kl�nge, auf das dem Klang immanente Thema des Erlebens (1988, 122), auf das "charakteristische psychologische Themenfeld" (1992b, 99).
Wirkung der Archetypen Wirkung in der Hypnotherapie
Archetypen strukturieren und ordnen die Psyche. Sie tun das in "symbolischen Prozessen". Typische Symbolische Prozesse: Tarot, Chakren, Meridiane, Glaubensdogmen (Jung 41).

Menschen k�nnen von archetypischen Bildern ergriffen werden. Arbeit mit Archetypen kann die psychischen Prozesse zentrieren, das Seelenleben ordnen.

In der Dynamik des Trance-Verlaufs �bernimmt der energetische Klangarchetypus die "unbewu�te Suche" und den "unbewu�ten Proze�" (= Phase 3 und 4 bei Erickson/Rossi), die indirekte Suggestion und Aktivierung von Assoziationen und Bildern (1992b, 100).

Mit Klangarchetypen kann gearbeitet werden auf der Ebene der "psychodynamisch zu interpretierenden", der "prae- und perinatalen" und der "transpersonalen Erfahrungen" (1992b, 112).

 

Strobels interkultureller Bezugspunkt sind verschiedene Traditionen des Schamanismus, die er neidvoll als Heiltraditionen betrachtet, zu denen "uns der Zugang verloren gegangen ist" (STROBEL 1988, S. 119). Die Denkformel des "Verlierens von Zug�ngen" verkn�pft die kulturvergleichende mit der tiefenpsychologischen Betrachtung: in unserer Kultur seien psychische Tiefenschichten versch�ttet, die in anderen Kulturen noch zug�nglich sind. Die folgende Tabelle zeigt die ethnischen Instrumente, die Strobel verwendet, sowie einige Stichworte aus den recht ausf�hrlichen Beschreibungen der archetypischen Themenfelder:

 

Klangerzeuger Kultureller Hintergrund Archetypische Themenfelder
Hohe Klangschale Tibet Hingabe an eine h�here Macht, an transzendierende Energien. �berwindung von Bedrohung. Progressive Regression.
13-saitiges Monochord Abendland/Neukonstruktion BRD Ozeanische, entgrenzede Erfahrungen. Regressive Verschmelzungserlebnisse, verschiedene Arten der Regression. Kosmos, Ureinheit mit der Welt.
Didjeridu Australien (Aborigines) Landschaften, Natur, Erde. Triebhaftigkeit, Sexualit�t, K�rperlichkeit, das Animalische.
Indianer- und Schamanentrommel Amerika, Zentralasien Tr�stlich und unerbittlich, Zuverl�ssigkeit (Mutterherz). Bei MM = 60 irdisch, selbstbegrenzend (Gegenteil von entgrenzendem Monochord).
Gong Chau Lou Ostasien (China) Wandlungs- und �bergangserlebnisse, z.B. Geburtsvorgang, Tod. Krisis und Entwicklungsproze�. Opferzeremonien, �bergang in freie R�ume.

 

Ersichtlich handelt es sich bei diesen Instrumenten mit Ausnahme des Monochords um Klangerzeuger mit starker kultureller Einbindung. Diese hat f�r Strobel ausl�senden und - partiell - die Wirkungstheorie begr�ndenden Charaker. Die Benennung der Klangarchetypen und damit die Beschreibung der Klangwirkung leitet Strobel aber ausschlie�lich aus empirischen Beobachtungen mit deutschen PatientInnen ab. Die ethnologische Herkunft der Instrumente spielt hierf�r keine Rolle. Mit interkulturellen Utopien geht Strobel sehr vorsichtig um:

"Nat�rlich k�nnen wir afrikanische oder indianische Heilungsrituale nicht einfach �bernehmen. Sie w�ren ohne einen gewachsenen kulturellen und gesellschaftlichen Hintergrund wirkungslos. Aber wir k�nnen ihr Wesen erkennen und von ihnen lernen, damit �hnliches bei uns wieder belebt werden kann" (1988, S. 120).
Es ist kaum zu leugen, da� die musiktherapeutische Praxis der BRD ein riesiges Feld musikpsychologischer Handlungsforschung darstellt. In unz�hligen Therapiepraxen werden t�glich - wie es Wolfgang Strobel auch �ber 10 Jahre hinweg getan hat - Protokolle gef�hrt und Einzelbeobachtungen regelhaft verallgemeinert. Die zentrale Form, in der �ber die musiktherapeutische Handlungsforschung kommuniziert wird, ist die "Fallstudie". In Strobels Publikationen jedoch werden Dutzende solcher Fallstudien komprimiert als Beleg f�r Theorieelemente verwendet.

5.b Rythmusarchetypen in TaKeTiNa (Reinhard Flatischler)

Flatischler praktiziert TaKeTiNa seit 1970 auf workshops. Seit den fr�hen 80er Jahren veranstaltet Flatischler auch workshop-artige Massenveranstaltungen, auf denen er TaKeTiNa mit 1000 Menschen praktiziert (1981: Wiener Festwochen). �ber sogenannte "TaKeTiNa-Konzerte" (1982: Jazzfest Berlin) gelangte er dann schlie�lich (1986) zu "MegaDrums", einem prototypischen Weltmusik-Projekt. Bei MegaDrums wirken zwischen 6 und 10 MusikerInnen aus unterschiedlichen Kulturen der Welt zusammen. Flatischler schreibt, nachdem er die Beteiligten besucht, mit ihnen zusammen musiziert und experimentiert hat, eine Partitur und Choreografie. Im Endeffekt gibt es nur wenige, fest umgrenzte Freir�ume f�r die Beteiligten. Den mehrw�chigen Proben folgt eine Konzertournee mit der obligatorischen CD.Flatischler hat eine eigent�mliche Archetypen-Lehre entwickelt, deren zentraler Satz lautet:"Alle Menschen tragen ein und dasselbe rhythmische Urwissen in sich. Dies Urwissen umfa�t alle rhythmischen Naturgesetze und Rhythmusarchetypen. Es ist als Pr�gung in uns angelegt. ... Damit dies Urwissen erwachen kann, braucht es jedoch der Stimulation von au�en" (1995, 6). Die Didaktik zur Erweckung des rhythmischen Urwissens ist dieTaKeTiNa-Praxis:

"TA KE TI NA sah 1970 in den Grundz�gen genau so aus wie heute - Ein Kreis - zwei Felder: ein stabilisierendes Feld, getragen von der Ba�trommel des Surdo, verbunden mit dem Grundschritt aller Teilnehmer und ein destabilisierendes Feld mit Gesang und Klatsch - Angeboten damals noch nicht begleitet vom Musikbogen Berimbao. Schon damals verband TA KE TI NA das Individuum und das Kollektiv, Bewu�tes und Unbewu�tes", schreibt Flatischer 1995 (in einem Brief an den Autor).
Das umfangreiche Lehrgeb�ude von TaKeTiNa besteht aus unz�hligen Rhythmus�bungen, die auf K�rperinstrumenten ausgef�hrt werden. In den prototypischen TaKeTiNa-workshops bilden die �ber 20 (oft bis 100) TeilnehmerInnen einen Rhythmuskreis. Unter Anleitung Flatischlers, abgesichert durch einen Grundschlag von ein oder zwei AssistentInnen, wird allm�hlich ein komplexes Rhythmuspattern entwickelt. Die gesamte �bung dauert etwa 3 Stunden, wobei der letzte Teil mehr als tranceinduzierendes Konzert Flatischlers und seiner AssistentInnen bezeichnet werden mu�. Die TeilnehmerInnen beginnen mit einer Schrittfolge (Fu�rhythmus), erg�nzen dann durch Rhythmuslinien der H�nde (Klatschen, Schnipsen) sowie Sprachrhythmen ("Gamela", "Taketina"). Der Gesamtrhythmus wird im Laufe der �bung schrittweise komplexer. Wer nachdenkt oder - wie sonst �blich - zu z�hlen beginnt, f�llt unweigerlich raus. Der Rhythmuskreis aber tr�gt ihn. Dabei soll, wie es Flatischler seit einigen Jahren immer wieder betont, die Erfahrung eines sich selbst regulierenden Chaos gemacht werden. Diese Regulation r�hre vom "rhythmischen Urwissen" her, das jeder Mensch in sich tr�gt und das, sobald ein einzelner Mensch durch Mitz�hlen, durch Leistungsstre� oder rationale Kontrolle den Zugang zu diesem "Urwissen" verloren hat, von der gesamten Gruppe, vom Rhythmuskreis, der ja weitergeht, repr�sentiert wird.
"Bei Ta Ke Ti Na erlebst Du gleichzeitg unterschiedliche Rhythmen in der Stimme, im Klatschen und in den Schritten. Diese Gleichzeitigkeit erm�glicht Dir, Kontrolle loszulassen, Dich dem rhythmischen Flu� anzuvertrauen und auf diesem Weg schlie�lich zu Deinem eigenen rhythmischen Urwissen zu finden. Ta Ke Ti Na ist ein zeitgem��es Ritual, in dem Du Dir selbst und anderen durch Rhythmus begegnen kannst. Du tauchst mit den anderen in ein tragendes, pulsierendes Kraftfeld, und w�hrend Du in Deine eigenen inneren Prozesse gehst, kannst Du erleben, wie sich die engen Grenzen Deines Egos aufzul�sen beginnen und Du in einen Zustand tiefer Verbundenheit mit anderen und Dir selbst sinkst".

Das Schema (Folie 6b) zeigt die Parallelit�ten zwischen der Argumentation Flatischlers und Carl G. Jungs. Dies ist verbl�ffend, weil Flatischler Jungs Lehre nicht kannte, als er von Rhythmusarchetypen schrieb.

 

Carl.G. Jung: Archetypenlehre Reinhard Flatischler: Rhythmusarchetypen
Kollektives Unbewu�tes Rhytmisches Urwissen
Es gibt ein kollektives Unbewu�tes, eine tiefere Schicht des Unbewu�ten, die nicht mehr individuellen Erfahrungen entspringt (Jung 7). Es gibt ein musikalisches Urwissen in jedem Menschen. Das rhythmische Urwissen ist als Pr�gung in allen Menschen angelegt (1995,6).
Archetypen Rhythmusarchetypen
Die Inhalte des kollektiven Unbewu�ten sind die Archetypen. Sie sind noch keiner bewu�ten Bearbeitung unterworfene, unmittelbare seelische Gegebenheiten (Jung 8-9). Das Urwissen ist in Form verschiedener Archetypen im Menschen lebendig. Man bekommt Zutritt zu der Kraft der Archetypen, wenn man sie in sich erkennt (1990,84). TaKeTiNa er�ffnet als didaktisches System einen solchen Zutritt f�r westliche Menschen.
Mythen der Welt Musikkulturen der Welt
Es besteht eine Kongruenz von Tr�umen, Delirien, Phantasien und aktivem Imaginieren westlicher Menschen und den Mythen der Welt (Jung 9, 51-53). Westliche Menschen machen pers�nlich relevante musikalische Erfahrungen in der Begegnung mit ethnischen Musiktraditionen, z.B. Schamanismus (1990, 15 und 1994, 3). Pulsation, Zyklus und rhytmische Bewegung in den Zwischenr�umen sind in allen Musikkulturen realisiert (1990, 84-85).
Begr�ndung Begr�ndung
Archetypen sind Niederschlag sich stets wiederholender Erfahrungen der Menschheit. Archetypen gehen (1) auf die Urerfahrungen im Mutterleib zur�ck, Herzschlag und Atem (1990, 94-96), (2) sie entspringen einem genetischen Code (1995b): Pulsation, Zyklus und Teilung. (3) Die musikalischen Archetypen Klang und Rhythmus gehen beide auf Schwingungsverh�ltnisse - Ordnungszahlen - zur�ck. (1990, Kapitel 5).
Erlebniskomplex Erfahrung
Archetypen sind "schicksalm��ig eintretende Erlebniskomplexe". Man kann sie nicht auflisten und abhaken (Jung 32). Ohne Panik aus dem Rhythmus herausfallen (Chaos) und dann "erfahren, da� der Rhythmus uns tr�gt" (Ordnung): dies ist die Erfahrung des Urwissens (1995,8).
Archetypische Bilder Rhythmusfiguren
Zu unterscheiden ist der abstrakte Archetypus-Begriff von den konkreten archetypischen Bildern ("Zentrierung" und Mandalas, die diese Idee umspielen). Zu unterscheiden ist der Rhythmus als Archetypus von den konkreten Rhythmusfiguren; oder: konkreten Prinzipien, wie Rhythmusfiguren entstehen. TaKeTiNa ist die Didaktik der Rhythmusfiguren (1984, 198, und 1990, 121).
Wirkung der Archetypen Wirkung im Rhythmuskreis
Archetypen strukturieren und ordnen die Psyche. Sie tun das in "symbolischen Prozessen". Typische Symbolische Prozesse: Tarot, Chakren, Meridiane, Glaubensdogmen (Jung 41).

Menschen k�nnen von archetypischen Bildern ergriffen werden. Arbeit mit Archetypen kann die psychischen Prozesse zentrieren, das Seelenleben ordnen.

Rhythmusfiguren integrieren Ordnung und Chaos in einem "Im Rhythmusfeld". Im Rhytmus entdeckt man die zentrale Kraft des Lebens. (Siehe oben: Erfahrung!)

 

 

Verstehen des Selbst und des Anderen - in der Gruppe und ethnisch betrachtet (1995b u.a.). TaKeTiNa als rhythmisches Feld f�r den westlichen Kulturkreis (1995, 4, und 1996, 14).

 

Das Rhythmuspattern, das einer �bung zugrundeliegt, ist meist eine didaktische Abstraktion aus konkreten Rhythmen, die in mehreren Musikkulturen vorkommen und auf Archetypisches verweisen. Als Beispiel hier die "guideline" der afrikanischen "Zw�lferglocke" (= graue Linie im abgebildeten Schema), die �ber einem 6/8-Feeling liegt. Wenn dieselbe guideline �ber einem 3/4 liegt, wirkt sie "s�damerikanisch":TaKeTiNa Pulsationsverh�ltnis 4:3 (1985, 126-127):

Stimme 1 (alternativ)

GA

MA

LA

GA

MA

LA

GA

MA

LA

GA

MA

LA

Stimme 2 (alternativ)

TA

KE

TI

NA

TA

KE

TI

NA

TA

KE

TI

NA

Klatschen

O

     

O

     

O

     
Schritte

TA

   

KE

   

TI

   

NA

   
In einem Rhythmuskreis kann der �bergang von einem Schritt zum anderen �ber eine Phase des stillen inneren Pulsierens erfolgen (1990, 131):
Guide Line (Klatschen)

Tin

 

Go

 

Go

Go

 

Go

 

Go

 

Go

   
2er: Schritte

TA

         

KI

         
3er: Schritte

GA

     

MA

     

LA

     
 

Stimme

GA

MA

LA

GA

MA

LA

GA

MA

LA

GA

MA

LA

4er: Schritte (afrikan.)

TA

   

KE

   

TI

   

NA

   
   
Stimme

TA

KE

TI

NA

TA

KE

TI

NA

TA

KE

TI

NA

6er: Schritte (s�dam.)

GA

 

MA

 

LA

 

GA

 

MA

 

LA

 

Wie bei Carl G. Jung unterscheidet Flatischler zwischen kulturspezifischen "Rhythmusfiguren" Rhythmusarchetypen:

"Mit der Zusammensetzung der Rhythmuselemente [Zyklen, Offbeats, Pulsation] zu Rhythmusfiguren jedoch l�st Du Dich mit dem Gestalten aus dem rhythmischen Bereich des Archetypischen. So kommst Du von den rhythmischen Ph�nomenen, die es �berall gibt, zu Rhythmusfiguren, die Du individuell gestaltest. Zwar gibt es auch im Bereich der Rhythmusfiguren noch �bereinstimmungen, die in allen Kulturkreisen gleich sind. In den meisten F�llen jedoch wird eine Rhythmusfigur vom Charakter eines bestimmten Kulturkreises gepr�gt, oder sie ist die Komposition eines Musikers" (FLATISCHLER 1990, S. 121).
Folgende Punkte f�hrt Flatischler im Sinne von Handlungsforschung als Beweis und Erl�uterung seiner Theorie an:
  1. Er hat zahlreiche rhythmische "Grundpatterns" oder Haltungen oder Gesten gefunden die in drei geografisch absolut getrennten Musikkulturen vorkommen. (FLATISCHLER 1990, S. 15-16).
  2. Er ist der Meinung, da� in vielen Musikkulturen gewisse nat�rliche Grundformen der Zeitorganisation existieren, die den Stoff f�r Archetypen abgeben: Pulsation, Wiederholung, Kreisform, Schwingung, Zyklus. (FLATISCHLER 1990, Kapitel 2-4, und FLATISCHLER 1995b)
  3. In der 3-j�hrigen TaKeTiNa-Ausbildung beobachtet er Ver�nderungen der Auszubildenden im Sinne eines zunehmend st�rkeren Verortens im "Urwissen" (FLATISCHLER 1995b).
  4. Einige �rzte haben systematisch mit TaKeTiNa gearbeitet. Es gibt auch physiologische Messungen an PatientInnen (EEG usf.). Im Ausbildungszentrum List arbeitet ein Arzt, Dr. Wolf B�nting, und in L�denscheidt f�hrt eine �rztegruppe Protokoll �ber den Einsatz von TaKeTiNa (FLATISCHLER 1994, S. 3-7).
  5. Er berichtet auch von erstaunlichen Erfolgen bei Berufsschlagzeugern. Einige konnten mithilfe TaKeTiNa Lebens- und Berufskrisen �berwinden, wobei sowohl psychische als auch physische Probleme aufgearbeitet wurden.
  6. Seine Kompositionen, die in den MegaDrum-Konzerten ausgef�hrt werden, basieren auf "archetypischem Komponieren". Die Tatsache, da� MusikerInnen aus unterschiedlichen Kulturen mitmachen und interkulturell kommunizieren k�nnen, ist ihm ein Beweis daf�r, da� diese Kompositionsmethode stimmig ist.
  7. "Auch hier zeigte sich wieder, da� das Wissen von den archetypischen Bausteinen, die in den Rhythmen aller Kulturkreise vorkommen, der Schl�ssel zur musikalischen Begegnung ist. Diese Rhythmusarchetypen erm�glichen es, da� Musiker mehrerer Kulturkreise miteinander musizieren k�nnen, ohne dabei ihre kulturelle Identit�t aufgeben zu m�ssen. Als ich auf dieser Grundlage meine ersten Kompositionen schrieb, war die Idee MEGADRUMS geboren" (FLATISCHLER 1993, S. 3).
  8. Bei der Probenarbeit mit MusikerInnen aus anderen Muikkulturen beobachtet er, da� diese archetypische Grundmuster spontan begreifen k�nnen, auch wenn solche Muster in ihrer eigenen kulturellen Tradition vollkommen unbekannt sind, z.B. einen "Siebener" bei Gamelanmusikern aus Bali (vgl.Nr. 5 auf der CD "Ketu" von 1993).
Flatischler vermeidet es, seinen internationalen Marktwert und kommerziellen Erfolg als Beweis der Archetypentheorie anzuf�hren. Die angef�hrten 7 Beweismomente reichen von vielfach wiederholbaren Evidenzerlebnissen bis hin zu einfachsten Methoden der naturwissenschaftlich orientierten Medizin. Letztere ist aber f�r Flatischlers Gesamtargumentation doch eher von peripherer Bedeutung.

 6. Zusammenfassung und Konsequenzen

Ich fasse die Ausf�hrungen zur Tranecinduzierenden Therapie und zu TaKeTiNa zusammen:Strobels und Flatischlers musikalische Praxis hat die Theorie der Archetypen nicht nur auf Musik �bertragen, sondern auch weiterentwickelt. Stichworte sind: "energetische Urmuster" und "rhythmisches Urwissen". Analog zu Carl G. Jung spielt in der musikalischen Praxis von Strobel und Flatischler eine Schichtung des musikalischen Bewu�tseins eine Rolle, wonach sich �ber der universellen Tiefenschicht der Klang- und Rhythmusarchetypen die Schichten der "klangpsychologischen Themenfelder" und "archetypischen musikalischen Patterns" erheben. Auf diesen Ebenen wird konkret musikalisch gearbeitet. Hier kann auch interkulturell kommuniziert werden.Die Tranceinduzierende Therapie und TaKeTiNa k�nnen als Handlungsforschungsprojekte �ber zwei wichtige Bausteine der Archetypenlehre Carl G. Jungs interpretiert werden. In beiden Projekten wird die Archetypenlehre aber nicht doktirn�r angewandt, sondern recht eigenst�ndig weiterentwickelt. Und was folgt aus all’ dem?Eine weiterentwickelte Psychoanalyse bietet aber nicht nur tragf�hige Theorie f�r interkulturelle Kommunikation, sie hat auch praktische Konsequenzen. So kann interkulturelle Kommunikation, so kann Weltmusik oder interkulturelle Musikerziehung danach dann gelingen, wenn sie archetypische Dimensionen enth�lt: zum Beispiel Grenzerfahrung und Transition, Regression, Schwerelosigkeit und Transzendenz, Erdung und Verwurzelung, das Fallenlassen ins Chaos und die Neuorganisation des Bewu�tseins usw. Die musikalische Universalismus-Debatte ist bislang m�glicherweise auf einer falschen Ebene gef�hrt worden, n�mlich der des musikalischen Materials oder der der Instrumente oder Stile. Die vorliegenden Theorien verweisen auf universalistische Ph�nomene "hinter" diesen Ebenen. Sie verweisen auf tiefere psychische Schichten. Die Erscheinungen auf Materialebene sind bereits kulturelle Ausformungen der Prozesse auf jenen Tiefenschichten menschlichen Bewu�tseins. Ich habe eingangs gesagt, da� die entscheidende Frage f�r die M�glichkeit von Weltmusik darin besteht, ob und wie der Widerspruch zwischen interkultureller Kommunikation und industriestaatlicher Inszenierung produktiv genutzt wird. Ich hoffe, da� Sie nun erahnen, unter welchen Umst�nden so etwas tats�chlich passiert! Mit technischen Fragen und Problemen von Vernetzung haben zwar die industriestaatlichen Inszenierungen, nicht jedoch die L�sungswege dieses Widerspruchs etwas zu tun.


Literatur zur tranceinduzierenden Musiktherapie (Auswahl):
Wolfgang Strobel: Klang - Trance - Heilung. Die archetypische Welt der Kl�nge in der Psychotherapie. In: Musiktherapeutische Umschau [MTU] 9/1988, S. 119-139.Ders.: Das Didjeridu und seine Rolle in der Musiktherapie. In: MTU 13/1992, S. 279-297.Ders.: Die klanggeleitete Trance. Eine analytisch orientierte Form nonverbaler Hypnotherapie. In: Hypnose und Kognition 9/1992, S. 98-117.Ders.: Grenzzust�nde in der Musiktherapie. In: Wolfgang C. Schroeder: Musik. Spiegel der Seele. Eine Einf�hrung in die Musiktherapie. Junfermann-Verlag/Paderborn 1995, S. 281-307.Tonius Timmermann: Musikalische Strukturen und ihre psychische Wirkung. Freies Musikzentrum/Eigenverlag M�nchen 1983.Ders.: Das Monochord - eine Wiederentdeckung. In: MTU 10/1989, S. 308-319Ders.: Die Musik des Menschen. Gesundheit und Entfaltung durch eine menschennahe Kultur. Piper/M�nchen 1994. (Insbesondere S. 191-203.)Kristine Schneider: Gong und Imagination. In: Heilende Kl�nge. Der Gong in Therapie, Meditation und Sound Healing, hg. von Hilarion Petzold. Junfermann-Verlag/Paderborn 1989, S. 125-146.
Literatur zu TaKeTiNa:
Reinhard Flatischler: Die vergessene Macht des Rhythmus. TA KE TI NA - Der rhythmische Weg zur Bewu�theit. Synthesis-Verlag/Essen 1984. (Mit MC, Neuauflagen mit CD.)Ders.: TA KE TI NA - Der Weg zum Rhythmus. Synthesis-Verlag/Essen 1990. (Mit MC)Ders.: Welt Sprache Rhythmus ‘93. Galli-Agentur/Freiburg 1993.Ders.: Welt Sprache Rhythmus ‘94. Galli-Agentur/Freiburg 1994.Ders.: World Language Rhythm ‘95. Galli-Agentur/Freiburg 1995.Ders.: World Language Rhythm ‘96. Galli-Agentur/Freiburg 1996.Ders.: TA KE TI NA. In: Visionen menschlicher Zukunft, hg. von Frank Siepmann. FORUM-Verlag/Bremen 1995, S. 100-111.Wolfgang Martin Stroh: Das rhythmische Urwissen. Reinhard Flatischler im Gespr�ch. Ms./Bremen-Oldenburg 1995. [= FLATISHLER 1995b] Interview vom 27.8.1995.Ders.: Auf der Suche nach neuen musikalischen Erfahrungen. New Age im Musikunterricht. In: Musik und Bildung 2/1996, S. 16-23. (Mit H�rbeispielen auf CD.)
Tontr�ger von Flatischler (alle bei VeraBra K�ln)
MegaDrums "Schinore" 1986MegaDrums "Coreana" 1987MegaDrums "Transformation" 1990"Drumming Together" 1992MegaDrums "Ketu" 1993MegaDrums "Mega Drums" 1995
Sonstige Literatur:
Carl G. Jung: Archetypen. dtv/M�nchen 51995. (= Aufsatzsammlung aus der Taschenbuchausgabe in 11 B�nden bei dtv.) Insbesondere: �ber Archetypen des kollektiven Unbewu�ten (1934) und Der Begriff des kollektiven Unbewu�ten (1936).Wolfgang Martin Stroh: Handbuch New Age Musik. Auf der Suche nach neuen musikalischen Erfahrungen. ConBrio-Verlag/Regensburg 1994. Insbesondere Kapitel 9: Die transkulturelle Dimension von New Age Musik.Georg Auernheimer: Einf�hrung in die Interkulturelle Erziehung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Darmstadt 21995.