Prüfungsphilosophie des Faches Musik
oder
kumulativ versus punktuell?
Grundsätzlich gibt es zwei Extreme im Prüfungswesen: die kumulative und die punktuelle Prüfung. Im Bachelor ist das komplette Prüfungswesen kumulativ (es sei denn der niedersächsische Kultusminister denkt sich in den kommenden zwei Jahren noch etwas anderes aus.) Das System von ET-Scheinen plus Abschlußprüfung mischt das kumulative und das punktuelle Prinzip. Es gibt folgende Erfahrungswerte:
Dabei stößt die Diskussion (vor allem in der Fachkommission) immer wieder auf folgende Widersprüche, die sich nicht vollständig auflösen lassen:
Die Studis sind unterschiedlich und entwickeln sich in den unterschiedlichen Systemen unterschiedlich. Die eine mag das verschulte Sparbuchwesen mehr, die andere den risikoreichen Sprung aus der Freiheit in die Streß-Situation. Viele Stuzdis sind zudem entsetzt, wie wenige Prüfungen es im Fach Musik gibt. Für Außenstehende ist daher das Oldenburger Studium "schlecht". Für andere (Insider) ist es gerade deshalb "gut", denn:
Die Studienmotivation muß in jedem Falle vom Inhalt des Studiums und nicht vom Prüfungssystem her rühren. Wenn die Studienmotivation vom Prüfungssystem her kommt ("extrinsisch"), so sollte man lieber aufhören zu studieren, anstatt ständig zu fragen "Welchen Schein bekomme ich dafür, daß ich Spaß habe, wenn ich hier im Jazzchor mitsinge?" Leider wird uns allen heute - von FOCUS über das Uni-Info bis zum verbreitetsten Psychologie-Lehrbuch - eingetrichtert, daß "Leistungsanreize" Motivation schaffen würden. Ich lehne diese Sicht ab, weil sie den Menschen auf eine Maschine oder einen Reiz-Reaktionsmechanismus reduziert. Wer meine Meinung genau wissen will, sollte in mein Buch "Leben Ja. Zur Psychologie musikalischer Tätigkeit" schauen, wo ein Motivations-Begriff entwickelt ist, der human, musikalisch und erfolgreich ist. Der Leistungsanreiz-Motivationsbegriff ist letztendlich Ausdruck einer Hilflosigkeit angesichts der Tatsache, daß uns Studium und Studieninhalt "nichts bringen". Man sollte dann das Ganze sein lassen!
Ein kumulatives Prüfungswesen stellt eine Studienordnung zweiten Grades dar: man studiert "ordnungsgemäß", indem man alle vorgeschriebenen Prüfungen absolviert... Dies ist weder sinnvoll noch nötig. Es gibt ja eine Studienordnung ersten Grades - und die genügt, wenn man sie liest und den Sinn versteht und akzeptiert. Tut man das nicht. so sollte man lieber aufhören anstatt zu fragen: Wann kommt die nächste Prüfung und wie muß ich hierfür studieren? Wer so fragt oder denkt, sollte sich erst mal Gedanken darüber machen, warum sie oder er Musik studiert.
Die einfachste Regel zum Ausgleich von Freiheit und Reglementierung lautet: erst etwas mehr Reglementierung, bis die Handhabung der Freiheit gelernt ist, dann mehr Freiheit. Im Fach Musik schlägt sich diese Regel durch in der Charakterisierung von Kenstudium ("reglementiert") und Schwerpunktstudium ("frei"), nicht jedoch im Prüfungssystem, das durchgehend gleich ist. Das beinhaltet einen Widerspruch.
Dieser allgemeinen Regel widerspricht eine anderes Grundprinzip des Oldenburger Studiums, demzufolge in Oldenburg möglichst viele und unterschiedlich musikalisch sozialisierte Menschen studieren (können) sollten. Diese Regel ist nicht aus humanitären Gründen aufgestellt, sondern aus der Einsicht in die Notwendigkeit des Musiklehrer-Daseins an allgemein bildenden Schulen. Denn die Schulen benötigen möglichst sehr unterschiedlich sozialisierte und qualifizierte MusiklehrerInnen!
Habt Ihr Anmerkungen zu dieser Phoilsophie? Teilt mir Eure Meinung und Eure Erfahrungen mit! stroh@uni-oldenburg.de